Bioidentische und synthetische Hormone in den Wechseljahren: Ein umfassender Vergleich

Die hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren können eine Vielzahl von Symptomen hervorrufen, darunter Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und kognitive Beeinträchtigungen. Hormonersatztherapien (HRT) gelten als eine der effektivsten Behandlungen, um diese Beschwerden zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Spätestens seit dem Bestseller „Womon on fire“ von der Gynäkologin Sheila de Liz findet in diesem Bereich eine umfassende Aufklärung und auch eine Art Umdenken statt.

Dabei stehen Frauen und ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte oft vor der Wahl zwischen bioidentischen und synthetischen Hormonen. Doch was genau unterscheidet diese beiden Arten von Hormonen, und welche ist die bessere Wahl?

Die Natur der Hormone: Was macht sie bioidentisch oder synthetisch?

Der Begriff „bioidentische Hormone“ beschreibt Hormone, deren molekulare Struktur identisch mit der der Hormone ist, die der menschliche Körper selbst produziert. Diese Hormone werden in der Regel aus pflanzlichen Quellen wie Yamswurzel oder Soja gewonnen und in einem Labor chemisch modifiziert, um sie mit körpereigenen Hormonen identisch zu machen. Beispiele hierfür sind bioidentisches Östradiol, Östriol und Progesteron. Ihr Hauptmerkmal ist die Fähigkeit, sich perfekt an die Hormonrezeptoren im Körper zu binden, da ihre chemische Struktur der von körpereigenen Hormonen entspricht.

Synthetische Hormone hingegen unterscheiden sich in ihrer molekularen Struktur von den natürlichen Hormonen des Körpers. Sie werden ebenfalls im Labor hergestellt, sind jedoch oft so konzipiert, dass sie länger im Körper verbleiben oder eine stärkere Wirkung haben. Beispiele für synthetische Hormone sind Ethinylestradiol, ein modifiziertes Östrogen, das häufig in Antibabypillen verwendet wird, und Medroxyprogesteronacetat, ein synthetisches Progestin. Diese Hormone werden häufig in herkömmlichen Hormonersatztherapien eingesetzt.

Der Wirkmechanismus: Wie beeinflussen sie den Körper?

Ein wesentlicher Unterschied zwischen bioidentischen und synthetischen Hormonen liegt in der Art und Weise, wie sie im Körper wirken. Bioidentische Hormone passen aufgrund ihrer identischen Struktur nahtlos in die Rezeptoren, die für die Aufnahme und Verarbeitung von Hormonen verantwortlich sind. Dies bedeutet, dass sie in der Regel eine ähnliche Wirkung wie körpereigene Hormone entfalten, ohne dass es zu unerwarteten Reaktionen kommt.

Synthetische Hormone hingegen können eine leicht abweichende Bindung an die Hormonrezeptoren eingehen, da ihre Struktur nicht exakt mit der der natürlichen Hormone übereinstimmt. Diese Unterschiede können dazu führen, dass synthetische Hormone in bestimmten Geweben stärkere oder schwächere Wirkungen entfalten als bioidentische Hormone. Während dies in einigen Fällen vorteilhaft sein kann, birgt es auch das Risiko von Nebenwirkungen, die bei bioidentischen Hormonen weniger häufig auftreten.

Die Frage nach der Sicherheit von Hormonersatztherapien ist seit Jahren Gegenstand intensiver Debatten. Ein häufiges Argument für bioidentische Hormone ist, dass sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit körpereigenen Hormonen besser verträglich und sicherer sein sollen. Studien haben gezeigt, dass bioidentisches Progesteron im Vergleich zu synthetischen Progestinen ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Brustkrebs aufweisen. Darüber hinaus wird angenommen, dass bioidentisches Östrogen weniger entzündliche Prozesse auslöst und somit ebenfalls eine sicherere Option darstellt.

Synthetische Hormone wurden jedoch über viele Jahrzehnte intensiv untersucht, und ihre Wirkung ist gut dokumentiert. Es gibt eine Vielzahl von Studien, die zeigen, dass herkömmliche Hormonersatztherapien effektiv sind, um Symptome der Wechseljahre zu lindern. Allerdings deuten einige Forschungsergebnisse darauf hin, dass bestimmte synthetische Hormone das Risiko für Nebenwirkungen wie Thrombosen, Schlaganfälle und Brustkrebs erhöhen könnten.

Personalisierung der Therapie: Ein entscheidender Faktor

Ein weiterer Unterschied zwischen bioidentischen und synthetischen Hormonen liegt in der Möglichkeit der individuellen Anpassung. Bioidentische Hormone werden häufig in sogenannten Compounding-Apotheken individuell für die Patientin hergestellt. Dies ermöglicht eine maßgeschneiderte Dosierung und Kombination von Hormonen, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Frau abgestimmt sind. Diese Flexibilität kann besonders vorteilhaft sein, wenn Standarddosierungen von synthetischen Hormonen nicht gut vertragen werden oder unzureichend wirken. Aber sämtliche bioidentische Hormone sind auch in Standard-Dosierungen auf Kassenrezept in der Apotheke erhältlich.

Die Rolle der Darreichungsform: Einfluss auf die Wahl

Ein weiterer Aspekt, der bei der Wahl zwischen bioidentischen und synthetischen Hormonen berücksichtigt werden sollte, ist die Darreichungsform. Beide Hormontypen können in verschiedenen Formen wie Tabletten, Gelen, Cremes, Pflastern oder Vaginalringen verabreicht werden. Die Wahl der Darreichungsform kann die Wirkung und Verträglichkeit der Hormone erheblich beeinflussen.

Bioidentisches Östrogen (Estradiol) wird ausschließlich transdermal verwendet und hat den Vorteil, dass es so den First-Pass-Effekt in der Leber umgeht. Dies bedeutet, dass es keinen Einfluss auf die Leberfunktion und die Blutgerinnung hat, was das Risiko von Nebenwirkungen wie Thrombosen ausschließt. Darüberhinaus gibt es bioidentisches Estriol, welches in der vaginalen Anwendung besonders hilfreich ist für lokale Beschwerden wie Trockenheit oder Schmerzen ist, ohne den gesamten Körper zu beeinflussen.

Kontroversen und Missverständnisse

Die Debatte zwischen Befürwortern von bioidentischen und synthetischen Hormonen ist oft von Missverständnissen geprägt. Einige Verfechter bioidentischer Hormone behaupten, dass diese „natürlicher“ und damit automatisch sicherer seien. Dies ist jedoch nicht ganz korrekt, da auch bioidentische Hormone chemisch modifiziert werden müssen, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten. Nichtsdestotrotz sind bioidentische Hormone von der molekularen Struktur her baugleich mit den körpereigenen Hormonen, was tatsächlich einen großen Vorteil darstellt.

Auf der anderen Seite wird synthetischen Hormonen manchmal zu Unrecht unterstellt, grundsätzlich gefährlich zu sein. Tatsächlich hängt die Sicherheit jeder Hormonersatztherapie von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter die richtige Auswahl der Hormone, die Dosierung, die Anwendungsdauer und die individuellen Gesundheitsfaktoren der Patientin.

Letztendlich geht es bei der Hormonersatztherapie darum, Frauen zu helfen, diese Lebensphase mit so viel Komfort, Gesundheit und Lebensqualität wie möglich zu durchleben. Die beste Wahl ist diejenige, die die Frau dabei unterstützt, sich in ihrem Körper wohlzufühlen und ihre persönliche Balance zu finden. Die fortschreitende Forschung auf diesem Gebiet gibt Hoffnung, dass die Therapieoptionen weiter verbessert werden und jede Frau die Unterstützung erhält, die sie verdient.